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Ruth Fischer-Bieniek ist seit einem Jahr im Amt als Bezirksbürgermeisterin in Solingen Gräfrath. Als Grüne kulturpolitische Sprecherin im Rat und Mitglied der Bezirksvertretung engagierte sie sich auch vorher schon für eine lebendige Kultur im Stadtteil. Als erste Grüne Bezirksbürgermeisterin leitet sie nun die Sitzungen der Bezirksvertretung Gräfrath und ist auch weit darüber hinaus Ansprechpartnerin für Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Im Interview berichtet sie von den spannendsten Ereignissen in ihrem ersten Amtsjahr und was sich in Zukunft noch verändern wird und muss.
365 Tage sind eine lange aber irgendwie auch kurze Zeit: Wie hast du dein Amt bisher erlebt?
Zunächst war es eine Umstellung: Ich bin von der zweiten in die erste Reihe gerückt und ich vertrete bei den Sitzungen der Bezirksvertretung nicht mehr nur die Position von Bündnis 90/Die Grünen, sondern nehme eine neutralere Position ein. Allerdings habe ich nun auch die Möglichkeit Schwerpunkte zu setzen und durch die Auswahl der Sitzungsorte auch die Aufmerksamkeit auf bestimmte unterstützungswürdige Institutionen zu lenken. In Gräfrath selbst war mein Kalender zu Beginn voll mit Vorstellungsterminen bei den Vereinen, Institutionen, Einrichtungen, wichtigen Entscheidungsträgern, aber auch Gewerbetreibenden und wichtigen Sponsoren. Türöffner waren dabei vor allem die Heimatvereine in Gräfrath und Nümmen und die ARGE (Arbeitsgemeinschaft Gräfrather Vereine e.V.), wo ich die Möglichkeit hatte, auf den Mitgliederversammlungen zu sprechen. Hinzu kamen die in 2022 wieder zaghaft möglichen Feste und Veranstaltungen, wo ich gerne den Einladungswünschen gefolgt bin, so z.B. das Pfannkuchenbacken beim Gräfrather Marktfest, der Einweihung des Zeltdaches, dem Fest am Brandteich oder dem Martinszug, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das klingt teilweise stressig, aber auch nach Spaß und vielen netten Kontakten. Gleichzeitig nimmst du als Bezirksbürgermeisterin auch repräsentative Aufgaben für den Stadtteil war. Welche gab es da bislang?
Ein wichtiges Ereignis war für mich die Rede zum Volkstrauertag auf dem Gräfrather Parkfriedhof. Hinzu kamen zahlreiche kulturelle Veranstaltungen: Unter anderem durfte ich eine Rede bei der Eröffnung der Oskar-Zügel-Ausstellung im Zentrum für Verfolgte Künste halten. Und gerade erst vor zwei Wochen fand mein erster Neujahrsempfang für die Gräfrather statt. Aber auch die Möglichkeit, als Bezirksbürgermeisterin Gräfrath nach außen zu präsentieren, finde ich spannend. So ergab es sich, den Bürgermeister unserer Partnerstadt in Israel im August im Rahmen des 35. Jubiläums der Städtepartnerschaft durch Gräfrath zu führen. Im Gegenzug ergab sich dafür im Januar der Gegenbesuch in Ness Ziona.
Was genau macht den Stadtteil Gräfrath für dich aus?
Gräfrath ist natürlich geprägt von Alt Gräfrath rund um den Markt. Hier treffen sich die Gräfrather, um zu feiern und miteinander ins Gespräch zu kommen. Hier treffen sich auch die vielen ehrenamtlich tätigen Gräfrather mit ihren Vereinsmitgliedern. Ich habe in diesem Jahr so viele neue, nette und v.a. total engagierte Gräfrather kennengelernt. Eine tolle Institution ist z.B. "Gräfrath hilft", die sich vor allem um Geflüchtete kümmern. So freut es mich, das auch der von mir unterstütze Vorschlag seitens des Gremiums und der Stadt tatsächlich aufgegriffen wurde und nun der Agendapreis 2022 an die vielen engagierten Mitarbeiter:innen vergeben hat. Im letzten Jahr konnte ich durch eine Aktion als Kassiererin zur Eröffnung des neuen LIDL eine kleine Geldsumme spenden.
Hast du einen persönlichen Lieblingsort in Gräfrath?
Der höchste Punkt von Gräfrath ist im Bereich des Lichtturms, der Fauna und des BV Gräfraths. Hier hat man einen tollen Ausblick in die Umgebung. Wenn man dann auch noch die Möglichkeit hat, ganz oben im Lichtturm bei einer Veranstaltung dabei zu sein, ist das genial. Gleichzeitig ist man hier auch inmitten der Natur, die mir als Grüne, aber auch als Bewohnerin Gräfraths sehr am Herzen liegt. Glücklicherweise konnte mit dem Projekt „Blauer Wald“ von Georg Meyer eine Pflanzaktion ins Leben gerufen werden, mit der insgesamt 100.000 Bäume im Gräfrather Wald gepflanzt werden. Letztes Jahr im Frühjahr durfte ich bereits mitanpacken.
Die Auswirkungen der Klimakrise machen auch vor Gräfrath nicht halt. Was beschäftigt die Gräfrather:innen noch aus deiner Sicht? Wo siehst du Probleme und Chancen?
Das Jahr 2022 stand ganz im Fokus der Heimatwerkstatt, ein Zukunfts-Projekt für Gräfrath, wo viele Ideen in vier Workshops und in vielen individuellen Diskussionen und Eingaben entstanden sind. Da Gräfrath im demografischen Kontext der älteste Stadtteil Solingens ist, ist es nicht verwunderlich, dass vor allem der Wunsch nach Stätten und Raum für Begegnung, Veranstaltungen und Sport für Jung und Alt hier ganz im Vordergrund steht, angefangen über Tötterbänke, Literaturcafés, Dorfladen mit Bürgertreff oder Stadtteilbüro bis hin zur Mehrzweckhalle, mehr Live-Veranstaltungen am Marktplatz und Möglichkeiten für Kunst, Kultur und Gastronomie.
Das sind ganz schön viele Ideen. Was soll sich in diesem Jahr in Gräfrath deiner Meinung nach bewegen?
Jetzt heißt es, die Ergebnisse aus dem Heimatprojekt umzusetzen. Dazu werden neben finanziellen Mitteln wieder engagierte Gräfrather:innen benötigt, damit die vielen tollen Ideen auch wirklich angegangen werden können. Ein zweites Anliegen ist mir, dass Menschen mit Behinderung ebenfalls am Leben in Gräfrath teilnehmen können. Die Überreichung einer mobilen Rampe an die Gastronomiebetriebe ist da nur ein erster, kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine stationäre Rampe, eine Aufwärmung eines Antrags aus dem Jahre 2005, ist leider auch schon wieder seit November 2021 bei der Stadt hängig – hier bleiben wir dran. Wichtig ist mir aber auch, dass Gräfrath weiter belebt wird, noch mehr Veranstaltungen am Markt möglich sind, neue Gastronomien sich in Gräfrath ansiedeln, die vier Museen in Gräfrath erhalten bleiben und möglichst weiter ausgebaut werden und unser Botanischer Garten und die Fauna weiter gefördert werden. Mit dem Kammerspielchen haben wir in Gräfrath ein kleines, lokales Theater, welches sich etwa mit einer Kooperation zur Sekundarschule Central auch sehr um verschiedene Generationen bemüht. Hier werde ich mich in den Haushaltsberatungen für eine Förderung einsetzen. Daneben müssen wir alles tun, damit auch unser wunderschöner Grünzug von der Itter bis zur Wupper erhalten bleibt, damit der Wunsch der Gräfrather nach Tourismus und Erholung erfüllt wird, dafür ist aber auch der Ausbau der Radwege, des ÖPNV und die Pflege der Wanderwege nötig.