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Was der Koalitionsausschuss am 28. März dieses Jahres unter Grüner Beteiligung nach zähen Verhandlungen hervorgebracht hat, ist bezüglich der Beschleunigungsabsichten beim Straßenbau kaum zu verdauen. Ursprünglich sollten Projekte wie der Ausbau der Schieneninfrastruktur beschleunigt werden. Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sollte hingegen nach Aussage des Koalitionsvertrage noch einmal einen vertiefenden Kommunikationsprozess durchlaufen. Doch jetzt ist alles anders gekommen und der Ausbau auf acht Spuren steht drohend im Raum.
Konkret heißt es im Koalitionsvertrag auf Seite 48:
„Wir streben einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an. Dazu werden wir parallel zur laufenden Bedarfsplanüberprüfung einen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden starten mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplan. Bis zur Bedarfsplanüberprüfung gibt es eine gemeinsame Abstimmung über die laufenden Projekte.“
Nun wurden in einem neuartigen Beteiligungsprozess die Länder eingebunden. Innerhalb von 10 Tagen sollten sie sich zu den in ihrem Bundesland geplanten Projekte äußern, die vom Bundesverkehrsministerium einer beschleunigten Umsetzung zugeordnet wurden. Unser Landesverkehrsminister zierte sich, da 10 Tage zur Überprüfung von 66 Projekten in NRW erstens nicht ausreichend seien und zweitens das Land nicht zuständig sei. Er hat schließlich „zugestimmt“, aber konkret kritische Fragen zu Brückensanierungen gestellt und mit der temporären Seitenstreifenfreigabe auf Alternativen zum Ausbau der A 3 verwiesen. Diese Entscheidung und Rückmeldung wirkte dennoch wie ein Schock auf die Anrainerkommunen entlang der Ausbaustrecke. Schließlich haben sich die Bürger:innen (BI 3reicht!), Politik und IHK gegen diese Ausbaupläne ausgesprochen. In Anbetracht der brisanten Rückmeldung hat die Landespartei direkt zu einem Onlinemeeting mit den Orts- und Kreisverbänden zur Klärung der Sachverhalte eingeladen.
Nun ist richtig, dass die aufgelisteten Projekte ohnehin geplant sind. Die Abfrage des Bundesverkehrsministers zielte darauf ab, welche Projekte beschleunigt umgesetzt werden sollten. Denn eine Zurückstellung von Projekten bedarf einer Änderung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP). Dies hatten wir uns mit Bezug auf die Aussagen im Koalitionsausschuss auch erhofft. Die Verkehrsprognosen und die Erstellung des BVWP liegen noch vor der Übereinkunft der Pariser Klimaziele. Vor diesem Hintergrund hätten sämtliche Projekte einer Überprüfung bedurft, ob die Massivität des Straßenbaus überhaupt mit dem 1,5 Grad Ziel kongruent gehen. Dies ist aus unserer Sicht stark zu bezweifeln. Doch was will man von einem Koalitionspartner erwarten, in dessen Reihen offensichtlich ein Netzwerk von Klimaleugnern besteht, wenn man den Recherchen der Satiresendung „Die Anstalt“ Glauben schenkt (siehe die Sendung vom 25. April 2025: https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-25-april-2023-100.html; ab ca. Minute 35). Zudem wird bezüglich der Machbarkeit ordentlich an der Kosten-Nutzenrechnung gearbeitet, sodass ein Bau von Straßen sich eben immer rechnet (gleiche Sendung bei ca. Minute 23).
Wir GRÜNE vor Ort sind zu diesem Thema über einen Arbeitskreis mit der Grünen Regionalratsfraktion vernetzt. Dort sind neben Mitgliedern der Regionalratsfraktion Grüne aus den Anrainerkommunen sowie Landtags- sowie Bundestagsabgeordnete bzw. -Mitarbeiter:innen vertreten. Auch versuchen wir in Solingen über unseren OB Tim Kurzbach und seine Bürgermeisterkolleg:innen Einfluss zu nehmen, hatten diese sich doch schon einmal mit einem früheren Brief gegen den achtspurigen Ausbau und positiv zur Alternative der temporären Seitenstreifenfreigabe geäußert. Doch mit dem jetzigen Vorgehen des Bundesverkehrsministeriums geraten unsere Anliegen stark in die Defensive. Bedroht sind neben Anwohner:innen vor allem die Natur, die zum Teil dem höchsten Schutzstandard in Europa unterliegt, wie beispielsweise die FFH Gebiete Ohligser Heide und Götzsche. Dabei sind diese in Europa bereits jetzt schon massiv durch den Klimawandel bedroht. Vier von fünf FFH Gebieten sind in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand, wie Martin Häusling in einer Kolumne für die Frankfurter Rundschau vom 12. Juni schrieb (https://www.fr.de/meinung/gesetz-zur-wiederherstellung-der-natur-populismus-kontra-oekologische-vernunft-92339394.html).
Gesellschaftlich stellt sich die Frage: Was muss angesichts von Klimawandel und Artensterben beschleunigt angegangen werden? Obwohl beide Themen dauerhaft medial behandelt werden und die Menschen die Dringlichkeit zum Handel erkennen, agiert Politik noch immer wie im längst vergangenen 20igsten Jahrhundert. Wen wundert dies, denn mit dem Ablassen der Wohlstandsversprechen im Rahmen der auf uns zukommenden Krisen bedarf es eines neuen gesellschaftlichen Konsenses, bei dem aber wahrscheinlich einige ihren gewohnten Lebensstil aufgeben müssten. Dies ist politisch aber kein Verkaufsschlager. Gut, dass man die GRÜNEN als „Prügelknaben“ hat. Es verwundert nicht, dass der Wind rauer wird und wir daher stärker werdende Gegenbewegungen registrieren. Klimaaktivist:innen wie die Letzte Generation („Klimakleber“) werden schnell zu Terroristen abgestempelt. Selbst wenn die Bewertung der Aktionen ggf. auch zu Recht kritisch ausfällt - Terrorismus, das war NSU. Die Bewertungsmaßstäbe unserer Demokratie verschieben sich. Ein schlechtes Klima für Klima- und Umweltpolitik.
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Ein Satellitenfoto zeigt den Abschnitt der Autobahn A3, der entlang der Stadtgrenzen von Solingen, Langenfeld, Mettmann und Hilden und entlang der Ohligser Heide verläuft.